Nach 12 Jahren Krieg unterstützen wir weiterhin syrische Flüchtlinge
Mariam gehört zu den Millionen Syrer:innen, die Opfer des Krieges sind, der bereits seit zwölf Jahren andauert. Viele sind sie aus ihrem Land geflohen und haben in Jordanien oder im Libanon Zuflucht gefunden. Wir unterstützen Mariam seit zehn Jahren. Erfahren Sie wie.
Mariam mit ihren Eltern | © N. Majali / HI
Flucht aus Syrien vor 10 Jahren
Mariam und ihre Familie kamen vor zehn Jahren, im Jahr 2013, nach Jordanien. Die Familie war auf der Suche nach medizinischer Hilfe für Mariam und ihre Mutter, die bei einem Luftangriff schwer verletzt worden waren. Einige Monate nach der Tragödie flohen sie aus Syrien. Sie reisten nachts, um den Angriffen unterwegs zu entkommen. Mariam benutzte Krücken, wenn sie konnte, und ihr Vater trug sie, wenn das Gelände zu uneben war.
Der Schrecken der Bombenangriffe
Mariam erinnert sich noch genau an den Tag des Angriffs. Er passierte 2012, da war sie neun Jahre alt. Sie spielte mit anderen Kindern auf der Strasse vor dem Geschäft ihres Grossvaters. Ihre Mutter und Grossmutter waren im Haus, der Rest der Familie war bei Freunden.
Plötzlich flogen zwei Flugzeuge über die Dächer. Alle gerieten in Panik und brachten sich in Sicherheit. Mariam rannte in den Laden und suchte Schutz unter der Theke.
Eine Rakete durchschlug die Betonwand des Geschäfts. Die Trümmer der Explosion trafen ihre Mutter im Gesicht. Sie verlor ihr rechtes Auge und erlitt einen Schädelbruch. Mariams rechtes Bein wurde bei der Explosion abgerissen und ihr linkes Bein wurde schwer verletzt. Eine zweite Rakete landete direkt auf ihr, explodierte aber zum Glück nicht. Ihre Grossmutter, die auch anwesend war, wurde getötet.
Nach dem Angriff eilten die Menschen herbei, um den Verletzten zu helfen. Mariam wurde in ein Spital in der Nachbarstadt gebracht. In dem Chaos und der Panik wurde sie vom Rest ihrer Familie getrennt.
«Während der ganzen Fahrt sagten mir die Leute im Auto immer wieder, ich solle wach bleiben und nicht einschlafen. Ich erinnere mich daran, weil ich nicht ohnmächtig wurde, bis ich im Spital ankam.»
Als sie im Spital ankamen, liessen die Fahrer sie am Eingang auf dem Trottoir zurück und fuhren davon. Als sie am nächsten Tag aufwachte, war ein ihr unbekannter Erwachsener in ihrem Zimmer. Es handelte sich um den Besitzer eines Süssigkeitenladens gegenüber dem Spital, der sie hineingetragen hatte, als das Auto sie dort zurückliess. Sie gab ihm den Namen ihrer Mutter und die Telefonnummer ihres Onkels – die einzige, die sie kannte –, damit er ihre Familie ausfindig machen konnte.
Mariams Bein musste amputiert werden, doch die Operation wurde schlecht durchgeführt. Nach einem Monat wurde sie aus dem Spital entlassen.
Alle sechs Monate eine neue Prothese
Einige Monate später floh ihre ganze Familie aus Syrien nach Jordanien, wo die Amputation korrigiert wurde. Wir versorgten Mariam einige Monate später mit ihrer ersten Prothese und Bewegungstherapie.
Mariam beim Seilspringen im Jahr 2013, um ihre Beine zu trainieren. © M. Feltner/HI
Da die Prothese an die körperliche Entwicklung der Patient:innen angepasst werden muss (insbesondere bei Kindern im Wachstum), ist die Begleitung individuell und langfristig angelegt. Wir begleiten Mariam seit zehn Jahren.
«Ich stehe den Mitarbeiter:innen von Handicap International sehr nahe. Im Laufe meines Wachstums fühlte ich mich mit jeder neuen Prothese, die ich bekam, wie neugeboren.»
Auf die Frage, ob sie nach Syrien zurückkehren werden, antwortet Mariams Vater:
«Wir haben alle Heimweh, aber eine Rückkehr nach Syrien kommt nicht in Frage. Ein einziger Vorfall reicht aus, um aus Fehlern zu lernen. Wir könnten es psychisch nicht verkraften, wenn wir nach Hause gingen und es wieder einen Zwischenfall gäbe. Wir können nicht in die Hölle zurückkehren.»
Berufliche Integration für Mariam
Vor kurzem haben wir Mariam eine Berufsausbildung angeboten. Sie hat sich für einen viermonatigen Nähkurs an der Ejwan-Akademie in Irbid angemeldet und wir haben ihr eine Nähmaschine zur Verfügung gestellt.
«Ich liebe es zu nähen. Es hilft mir, meine negative Energie loszuwerden. Ich verbringe meine Zeit damit, mir Tutorials auf YouTube anzuschauen, um mich zu verbessern.»
Wir versuchen nun, ihren Vater davon zu überzeugen, dass sie in einer Kleiderfabrik arbeiten darf, um Geld zu verdienen. Er hat nichts dagegen, macht sich aber Sorgen, wie sie mit ihrer Behinderung die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen wird.
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Nadia Ben Said
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