Erklärung internationaler NGOs

Nothlife Rechte von menschen mit behinderungen und politik
International Palästinensische Gebiete

Dringender Appell zur Verhinderung einer beispiellosen humanitären Krise angesichts des bevorstehenden israelischen Bodenangriffs auf den Gazastreifen.

Archiv: Blick auf eines der vielen durch Luftangriffe zerstörten Gebäude in Gaza-Stadt, Februar 2011.

Archiv: Blick auf eines der vielen durch Luftangriffe zerstörten Gebäude in Gaza-Stadt, Februar 2011. | © Xavier Bourgois / HI

Wir sind alarmiert über den Aufruf Israels an mehr als eine Million Palästinenser:innen, den nördlichen Gazastreifen innerhalb von 24 Stunden zu verlassen. Israel muss diesen Befehl unverzüglich zurücknehmen. Die Aufforderung, die gesamte Bevölkerung in so kurzer Zeit umzusiedeln, gefährdet das Leben der zur Flucht gezwungenen Menschen. Die israelische Regierung hat keine Garantien für ihre Sicherheit während des Transits oder für die Sicherheit der Zivilbevölkerung gegeben, die im Gazastreifen bleibt, während die Kämpfe weitergehen.

Die in Gaza tätigen humanitären Organisationen berichten von einer humanitären Krise nie gekannten Ausmasses. Es gibt keine angemessenen Einrichtungen, um die Bewohner:innen des nördlichen Gazastreifens sicher aufzunehmen, und ihre Sicherheit ist weiterhin gefährdet, da die israelischen Luftangriffe ständig das Zentrum und den Süden des Gazastreifens ins Visier nehmen.

Eine erzwungene Neuansiedlung ohne jegliche Sicherheits- oder Rückkehrgarantie und ohne die Bedürfnisse der geschützten Bevölkerung zu berücksichtigen, läuft Gefahr, einer Zwangsumsiedlung gleichgesetzt zu werden, die eine schwere Verletzung des humanitären Völkerrechts darstellt und als Kriegsverbrechen kodifiziert ist. Israel ist völkerrechtlich verpflichtet, den Schutz aller Menschen vor Ort zu gewährleisten und für eine angemessene Versorgung zu sorgen, insbesondere durch die Akzeptanz und Ermöglichung von Hilfsprogrammen.

Die schreckliche Gewalt, die Gaza und Israel in der vergangenen Woche erschüttert hat, hat bereits zu einem beispiellosen Bedarf an humanitärer Hilfe geführt. Bis zum 13. Oktober 2023, 17 Uhr MESZ, wurden mehr als 1799 Palästinenser:innen in Gaza, mehr als 1300 Menschen in Israel, darunter auch ausländische Staatsangehörige, und 45 Palästinenser:innen im Westjordanland getötet. Hunderte Kinder wurden getötet. Hunderttausende Kinder und Familien aus Gaza wurden bereits vertrieben. Ganze Stadtviertel wurden zerstört und in Trümmer gelegt.

Doch die jüngsten Ereignisse deuten darauf hin, dass das Schlimmste vielleicht noch bevorsteht. Wir, die Unterzeichnenden, Leiter:innen einiger der grössten humanitären Organisationen der Welt, rufen die internationale Gemeinschaft dazu auf, das Völkerrecht unmissverständlich durchzusetzen und dem Schutz der Zivilbevölkerung Vorrang einzuräumen, um weiteres Leid und den Verlust von Menschenleben zu verhindern.

Die führenden Politiker:innen der Welt müssen:

  • die israelischen Regierung auffordern, ihren Erlass sofort aufzuheben;
  • alle Parteien auffordern, einer sofortigen Einstellung der Feindseligkeiten zuzustimmen;
  • die Einstellung des Einsatzes von Explosivwaffen in bewohnten Gebieten fordern, ebenso wie den gezielten Angriff auf Zivilist:innen, unverletzliche UNO-Einrichtungen, Schulen und Spitäler, in denen Zivilist:innen Schutz suchen;
  • die Lieferung von lebenswichtiger humanitärer Hilfe, einschliesslich Nahrungsmitteln, Wasser, medizinischen Hilfsgütern und Pflegeleistungen, sowie Zugang für humanitäres Personal in Gaza erleichtern;
  • die sofortige medizinische Evakuierung von Kindern und Familien, die diese benötigen, nach Ägypten, in die Westbank oder nach Israel ermöglichen;
  • die sofortige und bedingungslose Freilassung aller Personen sicherstellen, die ihrer Freiheit beraubt sind, in erster Linie von Kindern, schwangeren Frauen und Müttern mit Säuglingen und Kleinkindern, Verwundeten und Kranken, die von bewaffneten Gruppen in Gaza festgehalten werden; und
  • gewährleisten, dass Familien, die Schutz benötigen und suchen, einen sicheren Weg zu einem Ort finden, an dem sie sich sicher fühlen. Die Familien müssen angemessenen Zugang zu Informationen über mögliche Optionen haben und genügend Zeit haben, um dies in Sicherheit zu tun. Die israelische Regierung ist nach dem humanitären Völkerrecht verpflichtet, den durch ihre Offensive vertriebenen Zivilist:innen eine sichere Unterkunft und humanitäre Hilfe zu bieten, und dies muss vor jeder Offensive sorgfältig vorbereitet werden. Jeder Person, die ausserhalb des Gazastreifens Sicherheit sucht, muss die Rückkehr in den Gazastreifen gestattet werden, sobald die Feindseligkeiten beendet sind, in Übereinstimmung mit ihrem Recht auf Rückführung oder Rückkehr an ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort. Dieses Recht muss auf internationaler Ebene garantiert werden.

Familien, die ihre Heimat nicht verlassen können oder wollen, stehen unter dem Schutz des humanitären Völkerrechts. Es gibt viele Gründe, warum Menschen die Warnungen zum Verlassen von Gebieten nicht befolgen können, darunter anhaltende Feindseligkeiten, unpassierbare Strassen, gesundheitliche Bedürfnisse, Behinderungen und die Angst vor dauerhafter Vertreibung. Viele haben keinen anderen Ort, an den sie gehen können.

Wir fordern den Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, und hochrangige Vertreter:innen der Vereinten Nationen nachdrücklich auf, den besetzten palästinensischen Gebieten und Israel einen dringenden Besuch abzustatten, um die Einhaltung des Völkerrechts zu gewährleisten und Solidarität mit den Betroffenen und den humanitären Helfer:innen zu zeigen.

Wir fordern die führenden Politiker:innen der Welt und die Akteur:innen vor Ort auf, der Erhaltung des menschlichen Lebens Priorität einzuräumen. Andernfalls wird unser kollektives Gewissen für immer beschädigt.

Olivier Longue – Geschäftsführer, Aktion gegen den Hunger – Spanien
Mattias Brunander – Generalsekretär, Diakonia
Manuel Patrouillard – Geschäftsführer, Handicap International / Humanity & Inclusion
Joël Weiler – Geschäftsführer, Médecins du Monde – Frankreich
Nicolás Dotta – Geschäftsführer, Médecins du Monde – Spanien
Morgane Rousseau – Geschäftsführerin, Médecins du Monde – Schweiz
Tjada D'Oyen McKenna – Geschäftsführerin, Mercy Corps
Jan Egeland – Generalsekretär, Norwegischer Flüchtlingsrat
Amitabh Behar – Geschäftsführer, Oxfam International
Stephen Omollo – Geschäftsführer, Plan International
Inger Ashing – Geschäftsführerin, Save the Children International
Rob Williams – Geschäftsführer, War Child UK

14 Oktober 2023
Einsatzländer

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