Litauen tritt aus dem Übereinkommen über Streumunition aus
Litauen tritt offiziell aus dem Übereinkommen über Streumunition aus, nachdem der litauische Präsident am 25. Juli den Beschluss des Parlaments zum Austritt aus dem Übereinkommen bestätigt hat. Der Austritt wird sechs Monate nach Eingang der Notifikation bei den Vertragsstaaten des Übereinkommens und beim Sicherheitsrat der Vereinten Nationen wirksam.
eine Streubombe | ©HI
Schwerwiegende Entscheidung für das humanitäre Völkerrecht
Litauen ist das erste Land, das von dem am 30. Mai 2008 in Dublin beschlossenen Übereinkommen zurücktritt. Diese Entscheidung schafft einen negativen Präzedenzfall für das Übereinkommen und das humanitäre Völkerrecht im weiteren Sinne. Sie ist ein schwerer Rückschlag für den weltweiten Kampf gegen Streumunition. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Vertragsstaaten des Übereinkommens die Entscheidung Litauens auf das Schärfste verurteilen und sich unmissverständlich gegen den Einsatz dieser Waffen aussprechen.
«Wir sind bestürzt über die Entscheidung Litauens, aus dem Oslo-Übereinkommen auszutreten. Diese Entscheidung untergräbt die Rechtsstaatlichkeit und die Normen im Umgang mit diesen willkürlichen Waffen. 95 Prozent der Opfer von Streubomben sind Zivilist:innen. Mit der Entscheidung Litauens werden sie in Zukunft in bewaffneten Konflikten weniger geschützt sein. Die Entscheidung folgt einer schrittweisen Aufweichung der internationalen Standards in den vergangenen Jahren: Vor einem Jahr beschlossen die USA, Streumunition an die Ukraine zu liefern. Verbotene Waffen wie Antipersonenminen und Streumunition werden in aktuellen Konflikten nach wie vor häufig eingesetzt und die Zivilbevölkerung wird immer häufiger Opfer willkürlicher Gewalt. Wir rufen alle Vertragsstaaten des Übereinkommens auf, ihr Engagement für das Übereinkommen zu bekräftigen, sich für seine weltweite Anwendung einzusetzen und den Einsatz dieser Waffen durch jeden Staat unter allen Umständen zu verurteilen.» Anne Héry, Leiterin Advocacy bei Handicap International
Der Präsident Litauens hat am 25. Juli den Beschluss des Parlaments unterzeichnet, aus dem Übereinkommen über Streumunition auszutreten. Ein Gesetzesentwurf über den Austritt aus dem Übereinkommen war am 18. Juli vom Parlament verabschiedet worden.
Litauen hatte bereits im vergangenen Jahr begonnen, den Austritt aus dem Übereinkommen zu erwägen, nachdem die USA im Juli 2023 mit der Lieferung von Streumunition an die Ukraine begonnen hatten.
Nach der Entscheidung der USA, im Jahr 2023 Streumunition an die Ukraine zu liefern, und der Entscheidung Litauens, im Juli 2024 aus dem Übereinkommen auszutreten, könnte es zu einer weiteren Verletzung des internationalen Standards gegen Streumunition gekommen sein: Die investigative ARD-Sendung «Panorama» vom 25. Juli zeigt, wie amerikanische Streumunition, die auf einem US-Militärstützpunkt in Deutschland gelagert wurde, in die Ukraine gebracht wurde, um dort im Konflikt mit Russland eingesetzt zu werden. Sollten sich diese Informationen als wahr erweisen, könnte es sich um eine Unterstützung von Aktivitäten handeln, die nach dem Übereinkommen über Streumunition verboten sind, wie die Weitergabe und der Einsatz von Streumunition.
Streubomben : Aus gutem Grund verboten
Die von Litauen vorgebrachten Argumente, dass wir in aussergewöhnlichen Zeiten leben, dass Streumunition eine wirksame Abschreckung gegen einen potenziellen Feind darstellen kann und sie einen hohen militärischen Nutzen hat, sind nicht stichhaltig. Diese Waffen sind wegen ihrer katastrophalen humanitären Folgen verboten worden. Das Oslo-Übereinkommen über Streumunition muss von den Staaten nicht nur in Friedenszeiten, sondern gerade auch in Konflikt- und Kriegszeiten eingehalten werden.
Streumunition kann vom Boden aus abgefeuert oder von Flugzeugen abgeworfen werden. Sie explodieren in der Luft und verteilen die explosiven Submunitionen über ein grosses Gebiet, ohne dabei zwischen Zivilbevölkerung und Militärangehörigen oder zwischen ziviler und militärischer Infrastruktur zu unterscheiden. Bis zu 40 Prozent von ihnen explodieren nicht beim Aufprall und hinterlassen Blindgänger, die wie Antipersonenminen über Jahrzehnte hinweg willkürlich verletzen und töten können.
Das Übereinkommen über Streumunition, das Litauen im März 2011 ratifiziert hat, bietet den bestmöglichen internationalen Rahmen gegen die schwerwiegenden Folgen von Streumunition. Der Bericht 2023 der Beobachtungsstelle für Streumunition zeigt, dass 95 Prozent der Opfer von Streumunition, also die überwältigende Mehrheit, Zivilist:innen sind – sowohl zum Zeitpunkt des Einsatzes als auch noch viele Jahre danach. 71 Prozent der Opfer von Streumunitions-Rückständen sind Kinder.
Beunruhigende Entwicklung seit 2022
Laut dem Bericht 2023 der Beobachtungsstelle für Streumunition wurden im Jahr 2022 mindestens 987 Menschen durch Angriffe mit Streumunition getötet oder verletzt, davon 890 in der Ukraine. Russland hat seit Februar 2022 wiederholt Streumunition in der Ukraine eingesetzt. Auch über den Einsatz durch die ukrainischen Streitkräfte wurde berichtet. Im Juli 2023 haben die USA mit der Weitergabe einer unbestimmten Menge ihrer Bestände an die Ukraine begonnen. Auch die myanmarische Armee und die syrischen Regierungstruppen setzten 2022 Streumunition ein. Beide Länder haben das Übereinkommen gegen Streumunition weder unterzeichnet noch ratifiziert.
Internationales Übereinkommen von grosser Bedeutung
Bisher haben sich 124 Staaten zu den strengen und umfassenden Standards des Übereinkommens verpflichtet; im vergangenen Jahr sind zwei neue Staaten hinzugekommen. Dies entspricht mehr als 60 Prozent der Staaten der Welt. Litauen beteiligte sich aktiv am Oslo-Prozess zum Verbot von Streumunition und war eines der ersten Länder, welches das Übereinkommen über Streumunition am 3. Dezember 2008 in Oslo unterzeichnete. Seit 2011 ist Litauen Vertragsstaat des Oslo-Übereinkommens. Das Land besitzt keine Streumunition und hat nie Streumunition hergestellt, gelagert, weitergegeben oder eingesetzt.
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Nadia Ben Said
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