Die Krise im Libanon trifft schutzbedürftige Menschen besonders hart
Die Explosion vom 4. August 2020 hat die wirtschaftliche und soziale Krise im Libanon verschärft und hat gravierende Auswirkungen auf schutzbedürftige Menschen wie syrische Flüchtlinge oder Menschen mit Behinderungen. Begegnung vor Ort mit zwei jungen Menschen, die vom Reha-Zentrum Mousawat, das von unserer Organisation unterstützt wird, betreut werden.
Mohammed aus Syrien nimmt an einer Physiotherapiesitzung in Mousawat teil, einem Reha-Zentrum des HI-Partners im Flüchtlingslager Mar Elias in Beirut, Libanon. | © Tom Nicholson / HI
Mohammed Ali Raja, 26 Jahre alt, ist nach einem Raketenangriff in Syrien vom Becken abwärts gelähmt. Durch die Verletzungen hat er sein linkes Bein unter dem Knie verloren. Er ist ebenfalls psychisch traumatisiert:
«Die Verletzungen haben mich tief getroffen und ich gehe nicht mehr aus dem Haus. Ich habe beinahe alle Hoffnung verloren.»
Mohammed lebte seit drei Jahren in Beirut, als erneut eine Katastrophe eintraf. Am 4. August 2020 tötete die Explosion im Hafen über 200 Menschen und 7'500 weitere wurden verletzt. Der materielle Schaden belief sich auf 15 Milliarden USD und rund 300‘000 Personen wurden obdachlos. Die Explosion hat Mohammeds Erinnerungen an den Konflikt in Syrien, den er miterlebt hat, neu aufleben lassen:
«Nach der Explosion wagte ich aus lauter Angst nicht einmal mehr auf die Toilette zu gehen. Die Angst packte mich, sobald ich das Gefühl hatte, dass ich im Notfall nicht entkommen könnte.»
Unser Partner-Zentrum Mousawat hat Mohammed mit Krücken, Physiotherapiesitzungen und psychologischer Unterstützung versorgt. Dann hat es Mohammed an den World Rehabilitation Fund (WRF) verwiesen, der ihm eine Beinprothese und orthopädische Schuhe verschaffte.
Aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Krise benötigt Mohammed dringend auch finanzielle Hilfe.
«Als Beispiel: Der Inkontinenzschutz, den ich tragen muss, kostet 100‘000 libanesische Pfund für eine Packung von 24 Stück, was über 66 Dollar entspricht! Mit einem hiesigen Lohn ist dies unbezahlbar und überdies ist mein Bruder der Einzige, der für die Familie aufkommt», so Mohammed.
Seine Hoffnung für eine bessere Zukunft ist nun, dass er sein Studium ausserhalb des Libanons fortsetzen kann, an einem Ort, wo er «arbeiten und genügend produktiv sein kann, um selbst für meine Bedürfnisse aufzukommen.»
Mohammed Abboud al-Saleh, 14 Jahre alt, aus Syrien, ist mit seiner Familie vor dem Krieg in den Libanon geflüchtet. Als er eine Strasse in Beirut überquerte, wurde er von einem Auto erfasst und verlor so seine Gehfähigkeit. Heute bewegt er sich im Rollstuhl fort.
Nach 15 Behandlungen im Zentrum Mousawat hat der Junge grosse Fortschritte gemacht. Er schafft es nun mit Hilfe aufrecht zu stehen und er hat gelernt, sich vom Rollstuhl ins Bett zu hieven, was seine Selbstständigkeit fördert:
«Es gibt Bewegungen, die ich vorher nicht ausführen konnte und jetzt schon. Das macht mich glücklich.»
Mit dem Rollstuhl zu leben ist für Mohammed eine tägliche Herausforderung. Im Libanon gibt es vielerorts, so auch in den Schulen, die eigentlich inklusiv ausgerichtet sind, keine Lifte oder behindertengerechte Einrichtungen. Und selbst wenn es sie gäbe, wären die derzeit so zahlreichen Stromausfälle wohl ein grosses Problem.
«Ich möchte mit meinen Freunden spielen und mich rund um den Wohnblock und im Quartier fortbewegen, aber ich bin an den Rollstuhl gebunden ... Ohne ihn komme ich nirgendwo hin und kann gar nicht erst runter gehen, da es in meinem Gebäude keinen Lift gibt. Mein grösster Traum ist es, wieder gehen zu können», teilt er uns mit.
Trotz seiner Sorgen und der schwierigen Lage, in der sich sein Land heute befindet, hat Mohammed, so wie die meisten Kinder, grosse Pläne für die Zukunft. Seine Leidenschaft gilt dem Theater und Videos, seine Produktionen publiziert er auf YouTube oder TikTok. Später möchte er weiterlernen, um Arzt zu werden oder Pharmazie zu studieren.
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Nadia Ben Said
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