Eine Rakete schlug genau neben uns ein

Betroffenen Stop Bombing Civilians
Irak

Abdallah wurde im Mai bei einer Explosion in Mossul verletzt. Jetzt lebt er als Vertriebener mit seiner Familie in einem Flüchtlingscamp östlich der Stadt, wo er von Handicap International versorgt wird. Unter anderem erhält er Physiotherapie, damit er sich schnell von seinem komplizierten Bruch am Bein erholt.

Abdallah und Mohammad unterhalten sich am Ende der Physiotherapiestunde.

Abdallah und Mohammad unterhalten sich am Ende der Physiotherapiestunde. | (c) E. Fourt / Handicap International

Als Mohammad, der Physiotherapeut von HI, das Familienzelt betritt, spielen Abdallah und sein älterer Bruder gerade Dame. Sie benutzen für das Brettspiel schwarze und weisse Steine, die sie zuvor auf einer Strasse des Camps gesammelt haben. Das Dame-Brett besteht aus einem viereckigen Holzstück, in das sie mit Bleistift die Linien gezeichnet haben. Mohammad setzt sich daneben und wartet darauf, wie das Spiel ausgeht. "Momente wie dieser sind sehr wichtig", erklärt er. "Sie helfen Abdallah, seinen Schmerz für eine Weile zu vergessen."  Ein paar Minuten später ist das Spiel beendet und die Physiotherapiestunde kann beginnen.

Der Teenager krempelt seine Hose nach oben, um die externe Fixierungsschiene an seinem oberen rechten Bein freizulegen. "Er erlitt einen schweren Bruch bei einer Explosion", erklärt Mohammad, während er mit einer Reihe von Reha-Übungen beginnt. Abdallah ,macht geduldig mit. Dabei erzählt er uns, was ihm passiert ist: "Ich sass auf der Strasse mit meinem besten Freund. Plötzlich fiel eine Rakete genau neben uns zu Boden und schlug mit einer riesigen Druckwelle ein. Dann konnte ich nichts mehr fühlen. Dreimal versuchte ich, aufzustehen, doch jedes Mal fiel ich wieder hin. Mein Bein war mit Blut überströmt. Ich versuchte, zu meinem Freund hinüber zu robben und schrie nach Hilfe. Dann kamen die Nachbarn, sie legten uns auf Decken und brachten uns ins Krankenhaus. Ich wurde zwei Stunden lang operiert. Mein bester Freund starb zwei oder drei Tage später. Das ist meine Geschichte."  

Schlimme Ängste nach dem Erlebnis

Abdallah kämpft einen Moment gegen seine Tränen an und führt seine Geschichte dann fort. Er erinnert sich an die Wochen, die er nach seinem Unfall in Mossul verbrachte, bevor er die Stadt mit seiner Familie verlassen konnte. "Am Anfang war es noch okay. Wir blieben im Haus und ich spielte Brettspiele. Doch nach einer Weile kamen schlimme Ängste, ich konnte nicht mehr ruhig bleiben. Ich begann mit anderen zu streiten, zu schreien und wurde über alles so schnell wütend. Wenn jemand nur neben mir sass, schlug ich zu. Oder sagte, dass sie mich allein lassen sollten, weil ich so gereizt war. Ich war sehr aufgebracht."

"Viele Menschen wie Abdallah fühlen sich nach einem belastenden Ereignis sehr gestresst", erklärt Mohammad. "Das ist einer der Gründe, warum wir psychologische Unterstützung sowie Physiotherapie anbieten. Die Menschen müssen über das sprechen können, was sie durchgemacht haben. Nur so können sie sich psychisch und auch körperlich erholen."

Während Mohammad mit dem Teenager spricht und ihn durch seine Übungen begleitet, versucht er immer, sich auf die Gegenwart zu konzentrieren und ihn aus seinen belastenden Erinnerungen zurück zu holen. Was denkt er über das Leben im Flüchtlingslager? "Ich bleibe morgens in meinem Zelt. Und am Nachmittag gehe ich zur Schule. Da bringen mir die Lehrer vieles bei. Das mag ich momentan an meinem Leben am meisten“, erzählt Abdallah. „Ich denke, ich möchte einmal Lehrer werden. Ich würde anderen gerne das Lesen und Schreiben beibringen."

Als sich die Stunde dem Ende zuneigt, teilt uns Abdallah auch seine Hoffnung für die kommenden Wochen und Monate mit. "Mein grösster Wunsch wäre es gerade, wieder aufstehen zu können", sagt er. Mohammad antwortet mit einem Lächeln: "Wenn du deine Übungen weitermachst, dann wird dieser Traum bald in Erfüllung gehen."

Abdallah und sein Bruder spielen Dame in ihrem Zelt.? © E. Fourt / Handicap International

10 Juli 2017
Einsatzländer

Nehmen Sie mit uns Kontakt auf

Nadia Ben Said
Verantwortliche Medien
(FR/DE/EN)

Tel : +41 22 710 93 36
[email protected]

HELFEN
Sie mit

Lesen sie weiter

Gaza: Stellungnahme zum Chaos bei der Hilfsverteilung
© K.Nateel / HI
Nothlife Stop Bombing Civilians

Gaza: Stellungnahme zum Chaos bei der Hilfsverteilung

Banner am Broken Chair gegen die Rückkehr von Minen
© V.Vanniasingam / HI
Minen und andere Waffen Mobilisierung Stop Bombing Civilians Veranstaltung

Banner am Broken Chair gegen die Rückkehr von Minen

Nachdem Finnland, Estland, Lettland, Litauen und Polen ihren Ausstieg aus dem Vertrag über das Verbot von Antipersonenminen angekündigt haben, kommen die Vertragsstaaten vom 17. bis 20. Juni in Genf erstmals wieder zusammen. Handicap International und die Internationale Kampagne für das Verbot von Antipersonenminen fordern die Staaten dazu auf, sich entschieden gegen den Austritt der fünf Länder zu stellen.

Zivilbevölkerung in 74 Ländern von Explosivwaffen betroffen
© HI
Minen und andere Waffen Stop Bombing Civilians

Zivilbevölkerung in 74 Ländern von Explosivwaffen betroffen

Der EWIPA-Monitor 2024 berichtet von verheerenden humanitären Folgen durch den Einsatz von Explosivwaffen in Wohngebieten. Handicap International weist darauf hin, dass in 74 Ländern Zivilist:innen verletzt oder getötet und Infrastruktur beschädigt wurden. Vor allem die Zivilbevölkerung in den Palästinensischen Gebieten, aber auch im Libanon, in Myanmar, Sudan, Syrien und der Ukraine waren betroffen. Die Angriffe auf zivile Infrastruktur wie Kliniken oder Schulen stiegen zudem stark an.

 

Kontakt

Handicap International Schweiz
Avenue de la Paix 11, 1202 Genf
+41 (0)22 788 70 33
[email protected]

Uns kontaktieren

IBAN: CH66 0900 0000 1200 0522 4

 
 

Suchbegriff eingeben

 
 

Unser Netzwerk

 
 

Folgen Sie uns