Gaza: Zwei Jahre sind zwei Jahre zu viel
Heute, am 8. Oktober 2025, versammeln sich sechs Hilfsorganisationen auf dem Bundesplatz in Bern – darunter Handicap International Schweiz. Ihr Ziel ist es, den Bundesrat dazu aufzufordern, die Zivilbevölkerung zu schützen, einen Waffenstillstand herbeizuführen und die Schweiz zum Handeln zu bewegen.

Handicap International, Terre des hommes, Ärzte ohne Grenzen, Médecins du Monde, Save the Children und SOS-Kinderdorf gemeinsam zum zweijährigen Jahrestag des Konflikts in Gaza. | © Terre des hommes
Zwei Jahre nach Kriegsbeginn ist Gaza zu einem Ort geworden, an dem Kinder schneller begraben werden, als sie gezählt werden können. Die Zivilbevölkerung hat keinen Zugang zu Nahrung, Wasser oder Strom – und keinen Ausweg. Im September 2025 kam die Untersuchungskommission der Vereinten Nationen zum Schluss, dass Israel in Gaza Völkermord begeht. Dennoch hat die internationale Gemeinschaft es bisher versäumt, mit der notwendigen Entschlossenheit zu handeln.
Statement
Gaza: Zwei Jahre sind zwei Jahre zu viel
NGOs fordern den Schutz der Zivilbevölkerung, einen Waffenstillstand und aktives Handeln der Schweiz
Schweiz, Oktober 2025 – Wir, die unterzeichnenden humanitären und Menschenrechtsorganisationen, begehen den zweiten Jahrestag der Eskalation des Krieges in Gaza mit einem dringenden Aufruf gestützt auf Grundlage des humanitären Völkerrechts (HVR). Der Schutz der Zivilbevölkerung muss jederzeit gewährleistet sein. Seit über zwei Jahren wird diese Verpflichtung missachtet. Wir verurteilen Angriffe auf Zivilpersonen, wo auch immer sie stattfinden. In Gaza hat das Ausmass des Leids beispiellose Dimensionen erreicht – eine humanitäre Katastrophe, die die Welt beschämt.
Die Kinder Gazas zahlen einen verheerenden Preis. Seit Oktober 2023 wurden über 20'000 Kinder getötet – mehr als eines pro Stunde. Über 39'000 haben mindestens ein Elternteil verloren, Tausende sogar beide. Für viele überlebende Kinder sind die Folgen dauerhaft: Schätzungen zufolge leben 21'000 Kinder in Gaza heute mit einer kriegsbedingten Beeinträchtigung, während fast 1,2 Millionen dringend psychologische Unterstützung brauchen, um Traumata zu verarbeiten, die kein Kind je erleben sollte.
Gleichzeitig sind die Grundlagen für das Überleben zusammengebrochen. Krankenhäuser, Schulen und Wasserleitungen liegen in Trümmern, und eine Hungersnot wurde ausgerufen. Israels fortwährende Blockade und Besatzung schneiden die Zivilbevölkerung von lebensnotwendigen Gütern ab – in direktem Widerspruch zum humanitären Völkerrecht.
Das humanitäre Völkerrecht ist eindeutig: Zivilpersonen müssen geschützt werden, und der Zugang zu lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen muss gewährleistet sein. Die Genfer Konventionen, die von allen Staaten ratifiziert wurden, verpflichten alle Konfliktpartei zum Schutz der Zivilbevölkerung und der zivilen Infrastruktur. Es gibt keine Rechtfertigung dafür, Wohnhäuser zu bombardieren, Stadtteile zu belagern oder Menschen gezielt Nahrung, Medikamente, notwendige Operationen oder Bildung zu verweigern. Die Verantwortlichen für solch schwerwiegende Verstösse müssen zur Rechenschaft gezogen werden.
Wir fordern einen sofortigen und dauerhaften Waffenstillstand. Jeder zusätzliche Tag der Kämpfe vergrössert das Leid der zivilen Bevölkerung in Gaza. Nur ein langfristiger Waffenstillstand kann die Gewalt beenden, einen ungehinderten humanitären Zugang ermöglichen und die Voraussetzungen für einen Wiederaufbau schaffen. Kurzzeitige Unterbrechungen reichen nicht aus.
Wir appellieren an die Schweiz, in ihrer Rolle als Depositarstaat der Genfer Konventionen entschlossen zu handeln. Die Schweiz blickt auf eine lange Tradition in der Förderung des humanitären Rechts zurück, und Bundesrat Ignazio Cassis hat dieses Engagement oft betont. Doch auf Worte müssen Taten folgen. Die Schweiz muss ihren Einfluss nutzen, um die Einhaltung des humanitären Völkerrechts von allen Parteien einzufordern, ihre internationalen Partner an einen Tisch zu bringen, und auf den Schutz der Zivilbevölkerung sowie die Aufhebung rechtswidriger Blockaden humanitärer Hilfe zu drängen. Die Genfer Konventionen entstanden auf Schweizer Boden als Antwort auf Kriege, die die Menschheit vor über 75 Jahren erschütterten. Ihre Glaubwürdigkeit steht heute in Gaza auf dem Spiel. Die Stimme der Schweiz zählt – Neutralität darf nicht Schweigen bedeuten, denn Schweigen angesichts solcher Verstösse kann als Komplizenschaft verstanden werden. Als Depositarstaat hat die Schweiz die Verantwortung, nicht nur an Pflichten zu erinnern, sondern auch konkrete Schritte zu unternehmen, wenn diese missachtet werden.
Zwei Jahre nach Kriegsbeginn ist Gaza nicht nur eine humanitäre Notlage, sondern auch ein Prüfstein für den Willen der internationalen Gemeinschaft, das Recht zu wahren. Besatzung, Blockade und wiederholte militärische Offensiven haben Kindern ihr Recht auf Sicherheit, Bildung und Zukunft genommen. Die Genfer Konventionen wurden geschaffen, um der Kriegsführung Grenzen zu setzen. Diese Grenzen werden in Gaza gebrochen. Wir fordern alle Konfliktparteien auf, ihre rechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen, und die Schweiz, bei der Forderung nach Verantwortlichkeit und Schutz eine führende Rolle zu übernehmen.
Die Menschen in Gaza können nicht länger warten.
Ärzte ohne Grenzen Schweiz, Handicap International Schweiz, Médecins du Monde-Schweiz, Save the Children Schweiz, Stiftung SOS-Kinderdorf Schweiz, Stiftung Terre des hommes Schweiz.
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Nadia Ben Said
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