Syrien: Jeder zweite Mensch durch Blindgänger gefährdet

Minen und andere Waffen
International

Nach elf Jahren Krieg und intensivem Einsatz von Explosivwaffen sind in Syrien bis zu 300'000 Sprengkörper nicht detoniert. Jeder zweite Mensch in dem Land ist durch Blindgänger gefährdet. Das sind über 10 Millionen Menschen. So lauten die Ergebnisse einer Studie, die Handicap International in Zusammenarbeit mit „Syria Mine Action Area of Responsibility“ erstellt hat.

Munition auf einem Schulhof nach einer Auseinandersetzung in einem Konfliktgebiet in Syrien.

Munition auf einem Schulhof nach einer Auseinandersetzung in einem Konfliktgebiet in Syrien. | © DR

Handicap International (HI) unterstreicht, dass eine Räumung der explosiven Kriegsreste die zwingende Voraussetzung für den Wiederaufbau des Landes ist. Geber müssen die Minenräumung erheblich unterstützen. Ausserdem muss die Zivilbevölkerung über die Risiken aufgeklärt werden, so die Organisation. Handicap International ruft darüber hinaus zu sofortiger und konkreter Hilfe für die meist schwer verletzten Überlebenden von Unfällen mit Blindgängern auf. Täglich passieren im Durchschnitt 76 Unfälle mit Sprengstoffresten – das ist alle 20 Minuten ein Unfall.

In Kooperation mit einem Zusammenschluss von 60 Organisationen, die auf humanitäre Minenräumung spezialisiert sind, wurde der Bericht „Explosive Kampfmittel in Syrien: Auswirkungen und Handlungsbedarf“ erstellt. Er verdeutlicht das Ausmass der Belastung durch explosive Kriegsreste, ihre verheerenden Auswirkungen auf die Menschen und auf die lebenswichtige Infrastruktur, die Notwendigkeit humanitärer Hilfe sowie die unentbehrliche Arbeit der humanitären Minenräumdienste.

Weitere Ergebnisse der Studie

  • Syrien ist das Land, das weltweit die meisten Opfer von Unfällen mit explosiven Kriegsresten zu beklagen hat. Die meisten Unfälle sind im Nordwesten Syriens zu verzeichnen.
  • Ganz Syrien ist durch nicht explodierte Kriegsreste belastet. Es wird Jahrzehnte dauern, bis das Ausmass der Kontamination ermittelt und das Land sicher sein wird. Dies gilt auch für landwirtschaftliche Flächen, was die lokale Wirtschaft bremst und die Versorgung der Menschen einschränkt. Die grosse Gefahr in städtischen Gebieten hindert auch humanitäre Organisationen daran, dringend benötigte Massnahmen wie die Sanierung von Häusern, Schulen und Gesundheitszentren durchzuführen.
  • Die Vereinten Nationen (United Nations Mine Action Service (UNMAS)) verzeichneten zwischen 2013 und 2020 insgesamt 12.345 Opfer von Unfällen mit Kriegsresten, bei denen 4.389 Menschen getötet und 7.956 verletzt wurden.
  • 2022 gab es im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin umfangreiche Bombardierungen und Granatenbeschuss. Hinzu kommen Raketen- und Drohnenangriffe auch im übrigen Land, der Einsatz von improvisierten Sprengsätzen auf Fahrzeuge sowie von kleinen und leichten Waffen.
  • Die Kontamination ist unglaublich vielfältig und massiv, da in Syrien die gesamte Bandbreite an explosiven Waffen eingesetzt wurde: selbstgebaute Sprengsätze, Landminen, Fliegerbomben, Mörser usw.

Methodik

Der Bericht „Explosive ordnance in Syria: impact and required action" stützt sich auf verfügbare Daten aus einer Reihe von Quellen, darunter Berichte über Opfer, Erhebungen über die Auswirkungen auf die Bevölkerung, von den Vereinten Nationen koordinierte multisektorale Bedarfsermittlungen, Erhebungen von Nichtregierungsorganisationen sowie Erkenntnisse von Mitarbeitern humanitärer Organisationen vor Ort und Betroffenen. Dazu gehört die Zusammenarbeit mit über 20 internationalen humanitären Organisationen in Syrien, von denen sich 9 auf humanitäre Minenräumung konzentrieren, zwischen August 2021 und März 2022.

Download des vollständigen Berichts (PDF, nur in Englisch) - Zusammenfassung in Deutsch (PDF)

 

18 Mai 2022
Einsatzländer

Nehmen Sie mit uns Kontakt auf

Nadia Ben Said
Verantwortliche Medien
(FR/DE/EN)

Tel : +41 22 710 93 36
[email protected]

HELFEN
Sie mit

Lesen sie weiter

In Gaza gibt es nur neun Prothesen- und Orthesen-Techniker:innen für die Versorgung tausender Menschen mit Amputationen
© K. Nateel / HI
Minen und andere Waffen Nothlife Rehabilitation

In Gaza gibt es nur neun Prothesen- und Orthesen-Techniker:innen für die Versorgung tausender Menschen mit Amputationen

Seit Beginn der Eskalation des Konflikts im Oktober 2023 wurden 123’000 Menschen in Gaza verletzt und 4000 Menschen amputiert. Die Zahl der verletzten Kinder ist dabei tragischerweise sehr hoch. Dennoch gibt es derzeit im gesamten Gazastreifen nur neun Techniker:innen, die auf die Herstellung von Prothesen und Orthesen spezialisiert sind – viel zu wenig für den Bedarf von Tausenden Menschen. Heba ist eine von ihnen. Inmitten ständiger Gefahr berichtet sie über ihren Alltag als Orthopädietechnikerin und Mutter zweier kleiner Töchter im neuen Rehabilitationszentrum von Handicap International in Zawaida. 

Die Ukraine kündigt ihren Ausstieg aus dem Ottawa-Vertrag an, während das Land zum am stärksten mit Antipersonenminen kontaminierten Land der Welt wird.
© V.Vanniasingam / HI
Minen und andere Waffen Stop Bombing Civilians

Die Ukraine kündigt ihren Ausstieg aus dem Ottawa-Vertrag an, während das Land zum am stärksten mit Antipersonenminen kontaminierten Land der Welt wird.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat ein Dekret unterzeichnet, in dem er den Ausstieg der Ukraine aus dem Ottawa-Vertrag ankündigte, der den Einsatz, die Lagerung, die Herstellung von und den Handel mit Antipersonenminen verbietet. Diese Entscheidung stellt einen dramatischen Wendepunkt für die Sicherheit der Zivilbevölkerung in einem Land dar, das von mehr als drei Kriegsjahren gezeichnet ist. Die Ukraine ist damit nach Finnland, Polen, Estland, Lettland und Litauen der sechste Staat, der aus dem Vertrag aussteigt oder dies beabsichtigt. 

Gegen die Rückkehr zu Antipersonenminen
© V. Vanniasingam / HI
Minen und andere Waffen

Gegen die Rückkehr zu Antipersonenminen

Die Vertragsstaatenkonferenz zum Ottawa-Abkommen in Genf ist zu Ende gegangen. Es war das erste Zusammentreffen, seit fünf europäische Vertragspartner ihren Ausstieg erklärt hatten. Die Staaten haben sich nicht hinter den Vertrag gestellt.

 

Kontakt

Handicap International Schweiz
Avenue de la Paix 11, 1202 Genf
+41 (0)22 788 70 33
[email protected]

Uns kontaktieren

IBAN: CH66 0900 0000 1200 0522 4

 
 

Suchbegriff eingeben

 
 

Unser Netzwerk

 
 

Folgen Sie uns