Baby Sanaa stirbt an den Folgen der Hungersnot
Vor zwei Wochen verhungerte Sanaa, ein einjähriges Baby. Der Rehabilitationsspezialist Haytham Abu Hadroos erzählt uns ihre Geschichte – ein erschütterndes Beispiel für die verzweifelte humanitäre Lage in Gaza und die Auswirkungen der von Menschen verursachten Hungersnot auf die Bevölkerung.

Sanaa, bevor es Opfer einer Hungersnot wurde | © HI
Sanaa Mansour Al-Lahham wurde während des Krieges in eine Welt voller Grausamkeit hineingeboren, die sie als Baby noch nicht begreifen konnte. Seit ihrem ersten Atemzug hat sich die humanitäre Lage in Gaza stetig verschlechtert. Der Zugang zu Nahrung, Milch oder Medikamenten ist mittlerweile praktisch unmöglich geworden. Von Geburt an war Sanaa Bedingungen ausgesetzt, die kein Kind je durchleben sollte.
So lernten wir von Handicap International Sanaa und ihre Mutter kennen
Während unserer Feldbesuche im Rahmen unserer Arbeit bei Handicap International kam eine junge Mutter in die UNO-Unterkunft in der Al-Haker-Schule in Deir al-Balah. Ihr rechter Arm war gebrochen, im linken hielt sie ihr Baby. Sie wirkte erschöpft – sowohl körperlich als auch seelisch –, nachdem sie durch den Gazastreifen von einem Spital zum anderen gelaufen war, auf der Suche nach Antworten, nach Hoffnung, nach jemandem, der ihr sagen konnte, was mit ihrer Tochter nicht stimmte.
Das Kind, das früher fröhlich und verspielt gewesen war, bekam hohes Fieber und veränderte sich danach plötzlich. Sanaa weinte nicht mehr, bewegte sich nicht mehr, rollte sich nicht mehr herum und reagierte nicht mehr auf ihre Eltern. Sie lag regungslos da und bewegte nur noch leicht ihren Kopf und ihre Gliedmassen, als würde sie sich in die Stille zurückziehen.
Stimulationstherapie kann Nahrung nicht ersetzen
Sanaa wies Entwicklungsverzögerungen auf. Darum begann das Team von Handicap International im März mit einer Physiotherapie, begleitet von Ergotherapie und psychosozialer Unterstützung. Wir bezogen die Mutter in den Prozess ein und erklärten ihr jeden Schritt. Unser Ziel war es, dem Kind nicht nur dabei zu helfen, seine motorischen Fähigkeiten wiederzuerlangen, sondern auch der Mutter neue Hoffnung zu geben. Bereits nach drei Sitzungen konnte sich Sanaa mit minimaler Hilfe umdrehen und sitzen. Ihre Mutter weinte vor Freude. Es war das erste Mal seit Monaten, dass sie wieder Hoffnung schöpfte.
188 Menschen verhungert – die Hälfte davon Kinder
Doch diese Hoffnung sollte nicht von Dauer sein. Am 17. Juli 2025 verhungerte Sanaa. Trotz der medizinischen Versorgung und Verlegung ins Schuhada-al-Aqsa-Spital verschlechterte sich ihr Zustand. Sie starb an den Folgen eines längeren Nährstoffmangels und des Mangels an Säuglingsmilch.
Bis heute sind in Gaza 188 Menschen verhungert, darunter 94 Kinder. Sanaa ist mehr als nur eine Zahl, mehr als nur eine Statistik. Sie war ein Kind, ein Leben, das im Krieg geboren wurde, das der Welt mit stillen Augen begegnete und viel zu früh von uns gegangen ist.
Wird die internationale Mobilisierung dieser Tragödie ein Ende setzen?
Neben Trauer steckt in Sanaas Geschichte auch eine Frage an die Welt: Wie viele Kinder müssen noch sterben, bevor die Hungersnot in Gaza als der Notstand anerkannt wird, der sie ist?
Diese Tragödie unterstreicht einmal mehr die dringende Notwendigkeit eines sofortigen und dauerhaften Waffenstillstands, eines ungehinderten humanitären Zugangs sowie der anhaltenden Unterstützung für die Schutzbedürftigsten – darunter Menschen mit Behinderungen und Kinder. Unsere Gedanken sind in dieser überaus schwierigen Zeit bei Sanaas Familie.
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Nadia Ben Said
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