Ukraine: „Die humanitären Bedürfnisse dürfen nicht vergessen werden“ - Januar 2017

Nothlife
Ukraine

Handicap International ist seit August 2015 in der Ukraine tätig, um die Versorgung von Menschen mit Behinderungen und Verletzungen zu verbessern und den Schutzbedürftigsten zu helfen, vor allem älteren Menschen. Arnaud Pont, der in der Ukraine für den Nothilfeeinsatz von Handicap International zuständig ist, nimmt am 23. Januar in Brüssel an der Konferenz „The Human Face of the Eastern Conflict“ teil. Dort werden die humanitären Bedürfnisse, die der Konflikt verursacht hat, auf der Tagesordnung stehen.[1] Das Ziel: mögliche Partner zu treffen und die Geldgeber zur Unterstützung unserer Aktivitäten zu bewegen.

Arnaud Pont an seinem Schreibtisch im ukrainischen Büro

Unser Nothilfeexperte Arnaud Pont berichtet, warum Handicap International auf wichtigen internationalen Konferenzen vertreten sein muss | © G. Lordet / HI

> Wie ist die Situation in der Ukraine?

Der Konflikt hat im Februar 2014 begonnen und hält auch 2017 entlang der „Kontaktlinie“ an, die die Ukraine vom Gebiet der Volksrepublik Donetsk trennt.[1] Ungefähr 800.000 Menschen sind nicht vor den Kämpfen geflohen und wohnen noch immer in diesem Gebiet – sei es, weil sie nicht über die finanziellen Mittel zur Flucht verfügen, sei es, weil sie eine Behinderung haben. Andere lehnen es ab, den Ort zu verlassen, an dem sie ihr ganzes Leben verbracht haben. Diese Menschen brauchen humanitäre Hilfe, denn die staatliche Versorgung, insbesondere im Bereich des Gesundheitswesens, wurde unterbrochen. In dem Gebiet, das von der Regierung kontrolliert wird, leben auch 300.000 Vertriebene. Insgesamt gibt es in der Ukraine 3,8 Millionen Menschen, die humanitäre Hilfe benötigen.[2] Die Situation ist wirklich kritisch!

> Wie sehen unsere Aktivitäten vor Ort aus?

Wir arbeiten seit August 2015 im Konfliktgebiet. Wir helfen Menschen mit Behinderung, aber gleichermassen auch bettlägerigen älteren Menschen. Wir konzentrieren uns auf ihre Versorgung mit physischer und funktioneller Rehabilitation, wir stellen Rollstühle, Krücken usw. bereit, und wir schulen das vorhandene Gesundheitspersonal im Umgang mit Menschen mit Behinderung. Im Jahre 2016 haben wir fast 1.000 Menschen unterstützt und etwa 30 Gesundheitseinrichtungen unterstützt. Einige Menschen haben psychologische Traumata entwickelt, weil sie einsam sind, zurückgelassen wurden oder der dauerhaften Belastung durch Lärm, Schüsse und Explosionen in ihrer Umgebung ausgesetzt sind.  Wir bieten ihnen  psychologische Unterstützung.

> Handicap International ist sonst in südlichen Ländern tätig - warum also in der Ukraine?

Die Ukraine hat wirtschaftlich sehr unter der Krise gelitten. Auch die Bevölkerung von Industrieländern kann durch einen Krieg oder eine Naturkatastrophe humanitäre Hilfe benötigen. Ein Konflikt kann auch völlig neue Situationen hervorrufen: Zum Beispiel gab es vor 2014 keine Landminen auf ukrainischem Gebiet – heute sind Teile des Landes vermint.

> Werden die Aktivitäten auch nach Beendigung des Konflikts fortgeführt?

Handicap International hat das Ziel, solange wie nötig im Land zu bleiben,  aber wir müssen auch die Mittel dazu haben. Aus diesem Grund sind wir heute bei der Konferenz The Human Face of the Eastern Conflict, an der auch andere Nicht-Regierungs-Organisationen sowie Vertreter der EU-Kommission und der Vereinten Nationen teilnehmen. Die Krise in der Ukraine ist in Vergessenheit geraten und es gibt wenig finanzielle Hilfe. Wir müssen die Geldgeber davon überzeugen, dass der Handlungsbedarf noch für viele Jahre enorm bleiben wird, besonders in den Bereichen der Rehabilitation, der Minenräumung und der psychologischen Unterstützung.

> Wie schätzen Sie die Entwicklung der Situation in den nächsten Jahren ein?

Das ist sehr schwer zu sagen, weil es um keine humanitäre, sondern um eine politische Lösung geht. Was wir uns wünschen, ist, alle bedürftigen Menschen zu erreichen und ihnen die notwendige humanitäre Hilfe zukommen lassen zu können.

 

[1] https://www.eventbrite.com/e/conference-ukraine-the-human-face-of-the-eastern-conflict-registration-30555976749

[2] Die Volksrepublik Donetsk ist ein sezessionistischer Staat in der Ukraine, der sich am 7. April 2014 in der Region des Oblast Donetsk als unabhängig erklärt hat und der einen Teil dieser Region kontrolliert.

20 Januar 2017

HELFEN SIE UNS

 

 

Nothilfe Ukraine Nothilfe Ukraine Nothilfe Ukraine Nothilfe Ukraine

Um diese schwere Krise zu bewältigen, brauchen wir Ihre Hilfe.
Unterstützen Sie unser Engagement für die ukrainische Zivilbevölkerung.

Einsatzländer

Nehmen Sie mit uns Kontakt auf

Nadia Ben Said
Verantwortliche Medien
(FR/DE/EN)

Tel : +41 22 710 93 36
[email protected]

HELFEN
Sie mit

Lesen sie weiter

1000 Tage Krieg in der Ukraine: Zivilist:innen sind die Hauptleidtragenden
médical détruit à Kharkiv. © Marie Monier / HI (novembre 2024)
Inklusion Stop Bombing Civilians

1000 Tage Krieg in der Ukraine: Zivilist:innen sind die Hauptleidtragenden

Mehr als 1000 Tage nach der Eskalation des Krieges zwischen Russland und der Ukraine lebt die gesamte ukrainische Bevölkerung noch immer unter der Bedrohung von Luftangriffen. Die Auswirkungen des Krieges auf die Zivilbevölkerung sind in mehrfacher Hinsicht katastrophal. Lesen Sie warum.

Gaza : Die Geschichte der siebenjährigen Qamar
© Y. Nateel / HI
Minen und andere Waffen Nothlife Stop Bombing Civilians

Gaza : Die Geschichte der siebenjährigen Qamar

Unter den Menschen, die von unseren Teams betreut werden, ist auch die kleine Qamar, die wir Ihnen in einem Video vorstellen möchten. Als eine Panzergranate ihr Zuhause im Norden von Gaza traf, wurde sie schwer verletzt und ihr rechtes Bein musste im Alter von nur 7 Jahren amputiert werden. Heute lebt sie mit ihrer Familie unter prekären Bedingungen in einem Lager für Binnenvertriebene.

Hunderte Tote und Verletzte bei heftigen Luftangriffen im Libanon
© HI
Nothlife

Hunderte Tote und Verletzte bei heftigen Luftangriffen im Libanon

Die schweren Bombenangriffe auf den Libanon lösen Panik aus und verschärfen die humanitäre Krise im Libanon.