„Wir stärken das Recht auf Schulbildung für alle!“
32 Millionen behinderte Kinder weltweit gehen nicht zur Schule. Unsere Kollegin Sandra Boisseau, eine Spezialistin für integrative Bildung, erzählt uns, was wir tun, um diese Situation zu verbessern. Hier ist ihr Interview.
Sandra Boisseau, Expertin für Inklusive Bildung für HI | © HI
Was ist inklusive Bildung?
Über 264 Millionen Kinder und Jugendliche gehen nicht zur Schule. Ein Drittel dieser nicht beschulten Kinder hat eine Behinderung. Das ist der häufigste Grund für das Fernbleiben von der Schule. Selbst dort, wo der Schulbesuch für Kinder mit Behinderung möglich ist, herrscht oft ein schwieriges Umfeld, das die speziellen Bedürfnisse nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt. Über 50 Prozent der Kinder verlassen die Schule schon vor Beendigung der Grundschule. Der Zugang zu Bildung und der Verbleib in der Schule sind nach wie vor die grössten Herausforderungen.
So sind die Möglichkeiten des Lernens und der Inklusion eingeschränkt. Die Jugendlichen sind vielfältigen Formen von Gewalt, Armut und sozialen Risiken ausgesetzt.
Als Individuen haben wir alle unterschiedliche Arten zu lernen, die sich auch im Laufe der Zeit verändern können. Inklusive Bildung ist ein Ansatz, der die Vielfalt der einzelnen Lernenden mit ihren speziellen Bedürfnissen anerkennt und eine Lernumgebung schafft, die diesen Bedürfnissen gerecht wird. Sie berücksichtigt die individuellen Lehr- und Lernbedürfnisse aller ausgegrenzten und besonders schutzbedürftigen Kinder und Jugendlicher: zum Beispiel Kinder mit Behinderung, Flüchtlingskinder, Strassenkinder, Mädchen und Kinder aus ethnischen Minderheiten. Das Ziel der inklusiven Bildung ist es, diesen Kindern gleiche Rechte und Chancen im Bildungssystem zu gewährleisten.
Wie verbessert HI die aktuelle Situation?
HI ist seit 1998 in der inklusiven Bildung tätig. Unsere Aktivitäten konzentrieren sich auf Kinder mit Behinderung, die zu den schutzbedürftigsten und am meisten ausgegrenzten Kindern gehören.
Wir arbeiten umfassend in diesem Sektor und führen in etwa dreissig Ländern Projekte für inklusive Bildung durch. Im Jahr 2018 haben wir wir mehr als 127.000 Menschen unterstützt.
Unser Ziel ist es, den Zugang von Kindern mit Behinderung zu einer inklusiven und qualitativ hochwertigen Bildung und ihren Verbleib in der Schule zu verbessern. So stärken wir ihre Rechte und verbessern ihre soziale Teilhabe und Lebensqualität.
Ein wirksames inklusives Bildungssystem verfolgt einen zweigleisigen Ansatz. Es versucht einerseits, ein Gleichgewicht zwischen systemischen Veränderungen in Politik, Praxis und Einstellungen herzustellen. Andererseits leistet es spezielle Unterstützung für Lernende mit Behinderung, zum Beispiel durch die Ausstattung mit Hilfsmitteln.
Wir setzen diesen Ansatz um, indem wir Kindern mit Behinderung und ihren Familien durch individuelle Unterstützung und verbesserte Bildungs-, Sozial- und Gesundheitsdienste direkte Hilfe leisten. Darüber hinaus helfen wir den Bildungsakteuren dabei, ihr Wissen über Behinderung zu verbessern, Einstellungen zu ändern und professionelle Arbeitsweisen zu fördern. Auch auf nationaler Ebene fördern wir die Entwicklung einer inklusiven Bildungspolitik.
Warum ist es so wichtig, in inklusive Bildung zu investieren?
Bildung ist sowohl ein Recht als auch ein Mittel zur Förderung anderer Rechte. Jedes Kind, auch Kinder mit Behinderung, hat das Recht auf eine grundlegende, hochwertige und kostenlose Schulbildung. Diese Rechte sind in internationalen Texten und Konventionen anerkannt, darunter die Konvention über die Rechte von Kindern und die Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung.
Inklusive Bildung dient nicht nur dazu, die Bildung von Kindern mit Behinderung zu verbessern; sie bietet allen Lernenden qualitativ bessere Lernmöglichkeiten. Das Ziel ist, dass Kinder gemeinsam lernen und zusammen eine bessere Gesellschaft aufbauen, in die jeder einbezogen wird. Wenn Kinder ungeachtet ihrer Unterschiedlichkeiten zusammen lernen, profitiert langfristig die ganze Gesellschaft.
Gemeinsames und differenziertes Unterrichten, die Lernumgebung zugänglicher, sicherer und angenehmer gestalten und die Interaktion zwischen allen im Bildungsbereich tätigen Akteuren: Das sind einige Beispiele dafür, was inklusive Bildung bewirken kann.
Investitionen in die inklusive Bildung verbessern die Qualität des gesamten Bildungssystems. Inklusive Bildung kann zu besseren sozialen und akademischen Leistungen für alle Lernenden führen. Eine hochwertige inklusive Bildung kann Bildungshindernisse für alle Kinder beseitigen, die Anzahl der Schulabbrüche verringern und allgemeine Diskriminierung bekämpfen.
Sind die Programme von HI wirksam?
Dank der Bemühungen von HI, die Bedingungen für die Inklusion von Kindern mit Behinderung in die allgemeinen Bildungssysteme zu verbessern, konnten wir in vielen Gemeinden einen deutlichen Einstellungswandel gegenüber Menschen mit Behinderung feststellen. Die Familien sind im Allgemeinen offener für die Einschulung ihrer Kinder und die Anzahl der eingeschulten Kinder mit Behinderung nimmt zu.
Auch in den Schulen hat es bedeutende Veränderungen gegeben. Die Informationen über die Kinder berücksichtigen nun manchmal die speziellen Bedürfnisse von Kindern mit Behinderung. Die Lehrkräfte verstehen Behinderung besser, ebenso die Bedürfnisse von Kindern mit Behinderung und den inklusiven Ansatz.
Als wichtige Partner in unseren Projektländern sind auch die nationalen Bildungsministerien enger eingebunden. Manchmal bitten sie um Unterstützung dabei, die nationale Bildungspolitik für Kinder mit Behinderung zu entwickeln oder zu überarbeiten.
Unterzeichnen Sie unsere Petition, um die Schultüren für alle Kinder zu öffnen!
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Nadia Ben Said
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